Sacrow

In der Bucht, in der die Havelfischer bei Sturm Schutz mit ihren Booten suchten, sollte eine Kirche entstehen. Im sicheren Hafen. 1841–1844 wurde sie - an eine frühchristliche Basilika erinnernd und mit freistehendem Campanile – auf Anordnung Friedrich Wilhelms IV. erbaut.

Abseits liegt sie im Dorfe Sacrow, wie sich schon der Klage des Fahrlän
der Pastors Johann Andres Moritz über die Fachwerkkirche, die als Vorgängerin der Heilandskirche damals mitten im Ort befand, entnehmen lässt: „Meine Pfarre ist eine beschwerliche Pfarre. Sacrow (nur Filial) liegt eine Meile ab, auf einer Straße, die niemand bereiset als ich, was denn beim Schnee desto beschwerlicher fällt […]“

In seinen “Wanderungen durch die Mark Brandenburg” gibt Theodor Fontane diese Tagebuchaufzeichnungen und Einblicke in das Leben des Dorfes wieder.
[http://www.textlog.de/41294.html]


Ob es sich nun um
eine Kirche „im heiligen Hafen“ [in portu sacro] oder „hinter Gebüsch“ handelt, wenn man den slawischen Ortsname Sacrow [za krowje] übersetzt – beides stimmt, auf die Perspektive kommt es eben an.



Ab dem Mauerbau 1961 wurde der Hafen zur toten Bucht: der Glockenturm wurde zum Bestandteil der Sperrmauer gemacht und die Kirche befand sich im Niemandsland auf östlicher Seite (die hier geografisch im Westen liegt). Nur vom Westen aus sichtbar, aber unerreichbar, fungierte die Heilandskirche ab der letzten Dezemberwoche 1961 als Mahnmal.
Kurz nach der Andacht vom Heiligen Abend ´61, die Pfarrer Joachim Strauss hielt, wurde die gesamte Inneneinrichtung von DDR-Grenztruppen zerstö
rt. 23 Jahre lang lag die Kirche im Grenzstreifen, dem Verfall preisgegeben.
Durch eine Initiative Richard von Weizsäckers, des damaligen Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin, und nach langwierigen Verhandlungen zwischen kirchlichen Stellen und den zuständigen Regierungsstellen der DDR, konnte in den Jahren 1984/85 zumindest das Äußer
e des Kirchengebäudes wiederhergestellt (die Kirche aber immer noch nicht betreten) werden.

Übereinkünfte dieser Art sorgten für deutsch-deutsche Anekdoten, wie zum Beispiel auch das Ausleihen des Straßenlandes am Nennhauser Damm an die BRD, die die Strecke als Umleitung wegen eigener Baumaßnahmen dringend benötigte. Im Gegenzug sanierte der Senat den Nennhauser Damm und die marode Brücke für die DDR und gab da
s Gebiet 1988 nach dreijähriger Ausleihzeit zurück. Ein Jahr später fiel die Mauer.

Im Dezember 1989 konnte der zu diesem Zeitpunkt 77-jährige Pfarrer Strauss den ersten Weihnachtsgottesdienst in dem noch immer verwüsteten Innenraum der Kirche feiern.



In den folgenden Jahren wurde der Kahn wieder flott gemacht: die 1984 geborgenen Apostelfiguren wurden – wenn auch nicht in der historischen Reihenfolge – aufgestellt. Die Restaurierung wurde 1995 abgeschlossen und im Sommer 2009 wurde die neue Orgel eingeweiht.
Ihren Klang hat Pfarrer Strauss nicht mehr gehört. Er verstarb 1999 mit 87 Jahren und einem bewegten Leben als Pfarrer an der Grenze.


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